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Leseprobe "look back again"

 

 

 ...

 

  An diesem Abend ging Dimitri früh ins Bett, machte seine Nachttischlampe an und holte das Tagebuch seines Urgroßvaters unterm Bett hervor. Dort hatte er es sicherheitshalber versteckt, bevor sein Vater doch noch auf die Idee kam, es zu entsorgen.

 

 

  Zunächst betrachtete er das Lesezeichen ganz genau. Es sah irgendwie fremdartig und mysteriös aus. Wie von einer anderen Welt. Diese seltsame Gravur auf dem Leder und der transparent funkelnde Stein, der in den Faden eingebunden war. Dimitri untersuchte ihn sorgfältig. Es war eigentlich mehr ein Kristall, so groß wie seine Fingerkuppe und im Licht seiner Lampe schimmerte er in den schönsten Farben, manchmal sah es sogar so aus, als würde dieser Kristall winzige Funken versprühen, die dann wieder von ihm selbst eingesaugt wurden. War das vielleicht sogar ein Edelstein, oder gar ein Diamant? Dimitri hatte darüber gelesen und je mehr er diesen Stein betrachtete, desto mehr zog er ihn in seinen Bann. Und dann dieser kyrillische Spruch, was er wohl bedeuten mochte? Behutsam legte er das Lederband zur Seite.

 

 

   Dann nahm er das Buch in Augenschein. Dimitri las gerne und viel, am liebsten phantastische Märchen oder spannende Geschichten, aber auch Reiseberichte von irgendwelchen Forschern, die um die Welt fuhren und fremdartige Dinge entdeckten. Leider hatte die Familie nicht so viele Bücher. Viele waren im Krieg vernichtet worden. Andere waren schwer zu besorgen oder teuer. Und viele Bücher der Stadtbücherei kannte er schon. Er hätte gern noch viel mehr gelesen, insofern kam ihm das alte Buch Anatolijs gerade recht. Es war ihm egal, wie viel darin nun wahr war und wie viel erfunden. Vielleicht war es ja spannend oder lustig.

 

 

  Schon das Äußere war vielversprechend, auch wenn es nicht sonderlich dick war. Der lederne Einband war teilweise zerfressen und verdreckt, so mussten früher Logbücher von Piratenschiffen ausgesehen haben, in denen Schatzkarten oder geheime Botschaften versteckt waren. Vielleicht war ja auch der Stein ein Teil eines riesigen Schatzes, den er vielleicht eines Tages finden würde. Dann könnte er auch sein Versprechen einhalten, das er seinen Eltern heute am Essenstisch gegeben hatte.

 

 

  Nun wollte der Junge sich dem Inneren des Buches widmen. Langsam schlug er es auf, dennoch rutschten ihm die ersten Seiten schon entgegen. Schnell klappte Dimitri das Buch wieder zu. Er drehte sich auf den Bauch, legte das Buch neben sein Kopfkissen und sortierte sorgfältig Blatt für Blatt wieder ein. Dann begann er zu lesen, wenn ihm auch die krakelige Handschrift etwas zu schaffen machte. Zeile für Zeile, Seite um Seite verschlang er die Sätze und Anmerkungen, die der alte Mann hinterlassen hatte.

 

 

  Es war kein Tagebuch im eigentlichen Sinne. Mehr eine Erzählung einer unglaublichen Geschichte. So wie Dimitri es verstand, hatten die Eintragungen erst begonnen, als der alte Mann schon um die siebzig gewesen war.

 

 

  Sie erzählten von einem arabischen Händler, dessen Onkel ihn zu dem alten Anatolij geschickt hatte. Er hatte aus einem Überfall auf einen reichen arabischen Prinzen einige Kostbarkeiten dabei, welche Dimitris Urgroßvater irgendwohin weiterverkaufen sollte, unter anderem einen ganzen Beutel voller magischer Kristalle. Offenbar war Anatolij so etwas wie ein Zwischenhändler von Diebesgut gewesen.

 

 

  Jetzt erinnerte sich Dimitri an die mahnenden Worte seines Vaters zum Wahrheitsgehalt dieses Buches. Es klang alles so verrückt und unwahrscheinlich, eine richtige Räubergeschichte. Wie eben eines der Märchen, die Dimitri sonst las. Er stellte sich Ali Baba und die vierzig Räuber vor, sah sich selbst als denjenigen, der eines Tages mit der Aufforderung „Sesam, öffne dich!“ den unglaublichen Schatz finden würde.

 

 

  Egal, sagte sich der Junge nochmals. Ob wahr oder nicht, spannend ist es allemal.

 

 

  Und er las weiter.

 

 

  Wie der Dieb vom Geheimnis der Kristalle erzählt hatte. Und wie dieser dann unter mysteriösen Umständen verschwand und erstochen aufgefunden wurde, noch ehe der Handel zustande kam. Wie Anatolij aus Angst die Steine, die der Araber ihm dagelassen hatte, im Garten versteckt hatte.

 

 

  Dimitri hatte feuchte Hände, so sehr fieberte er mit seinem Urahn mit und verfolgte die unglaubliche Geschichte Stück für Stück.

 

 

  „Dimitri, mein Schatz, es ist Zeit zu schlafen!“, riss ihn die Stimme seiner Mutter aus seinem Abenteuer. „Mach das Licht aus. Du kannst morgen weiterlesen!“

 

 

  „Morgen, morgen!“, brummte Dimitri. Wie konnte er ausgerechnet jetzt aufhören, diese Geschichte weiter zu verfolgen. An Schlaf war ohnehin nicht zu denken. Alles, was den Jungen beschäftigte, war der Fortgang von Anatolijs Abenteuer. Und jetzt auch von seinem Abenteuer. Denn er war sich nun sicher, dass der Stein, der in das Lesezeichen einflochten war, einer der magischen Kristalle aus dem Schatz des arabischen Prinzen war.

 

 

  Wieder rief seine Mutter mahnend die Treppe herauf. Dimitri kramte in der Nachttischschublade und fand seine Taschenlampe. Hoffentlich funktionierte sie noch lange genug. Ersatzbatterien hatte er keine und das Buch hatte er gerade erst einmal zur Hälfte durch. Er schaltete die Taschenlampe ein und die Nachttischlampe aus, dann verkroch er sich mit dem Buch unter die Bettdecke und tauchte wieder in sein Abenteuer ein.

 

 

  Nachdem Anatolij seinen Schatz vergraben hatte, folgten zunächst keine Einträge mehr in seinem Buch, bis auf einen kurzen Satz circa zwölf Monate später, indem er seine Erleichterung niedergeschrieben hatte, dass man ihm wohl nicht auf die Spur gekommen war.

 

 

  Erst viele Jahre später, 1934, hatte Anatolij das Tagebuch wieder zur Hand genommen und weiter geschrieben. Er hatte offenbar einen Vertrauten gefunden, dem er seine unglaubliche Geschichte anvertraut hatte und mit dem er gemeinsam einen Weg zu finden suchte, die Magie der Kristalle zum Leben zu erwecken.

 

 

  Jetzt wurde die Geschichte völlig verrückt. Anatolij beschrieb, wie dieser Vertraute, ein Uhrmacher, es geschafft hatte, die Kristalle so anzuordnen, dass damit ein Blick in die Vergangenheit möglich wurde.

 

 

  Dimitri hielt inne und schüttelte den Kopf. Bislang hatte die Geschichte zwar abenteuerlich geklungen, aber irgendwie noch ein bisschen realistisch. Oder zumindest hoffnungsvoll. Jetzt aber war wohl die Fantasie des Alten komplett mit ihm durchgegangen. Etwas enttäuscht klappte der Junge das Buch zu. Er legte das Buch zurück unter sein Bett und die Taschenlampe auf den Nachttisch.

 

 

  Mit gerunzelter Stirn legte sich Dimitri zurück und starrte in die Dunkelheit. Spannend war diese Geschichte schon und er würde das Buch auch sicher bis zum Ende lesen, aber der Wunsch an dem Abenteuer teilzuhaben, den er eben noch gehegt hatte, hatte sich plötzlich in Luft aufgelöst. Der Traum von der Entdeckung des Schatzes war geplatzt in dem Moment, als die Geschichte dann doch zu utopisch geworden war.

 

 

 

  Nein, es war wohl doch nur die Unfähigkeit eines alten Spinners Wahrheit und Fantasie auseinander zu halten.

 

 

 

 

  Irgendwie schade!

 

 

Dimitri legte sich auf die Seite und kuschelte sich in sein Kopfkissen. Nur wenige Sekunden später war er eingeschlafen.

 

 

  In der Nacht aber schlief der kleine Dimitri unruhig. Er träumte wie er durch den Garten auf das Feld hinter dem Haus lief, weg von seinem sicheren Zuhause. Er lief und lief, immer weiter, bis er plötzlich vor einem gewaltigen Felsen stand. Er blickte sich um, doch um ihn herum war nur noch Wald. Noch nie zuvor war er hier gewesen. Er starrte den riesigen Steinbrocken an. Ohne nachzudenken schrie er der Felswand die magischen Worte auf dem Lederband entgegen: „Blick zurück, doch nur mit den Augen!“, und vor ihm öffnete sich eine Höhle gigantischen Ausmaßes. Zögernd trat er ein und blickte auf ein Meer von Goldmünzen und Edelsteinen. Kilometerweit glitzerte und funkelte es. In der Mitte schwebte nur knapp darüber ein fliegender Teppich und auf ihm lag ein kleines Säckchen, was eigenartig schimmerte. In der Ferne sah er seine Eltern, die heftig ihre Arme schwenkten und ihm etwas zuriefen, das er aber nicht verstehen konnte. Sein Vater hielt das alte Tagebuch in der Hand und die Seiten rutschten heraus und fingen Feuer.

 

 

  Mühsam kämpfte Dimitri sich durch den Goldschatz zu dem Teppich mit dem Beutel vor und öffnete ihn vorsichtig. Darin kamen Diamanten zum Vorschein, die in allen Farben funkelten. Er nahm eine Handvoll heraus und legte sie in einem Kreis auf dem kostbaren Teppich aus. Augenblicklich begannen sie zu leuchten und zu blitzen und in der Mitte des Kreises entstand wie von Zauberhand ein Bild. Bei genauerem Hinsehen war dort ein alter Mann zu erkennen, der sich als Anatolij vorstellte. Er winkte Dimitri freundlich zu und lachte. Dann plötzlich verfinsterte sich seine Miene und er signalisierte seinem Urenkel sich umzudrehen. Als der Junge hinter sich blickte, sah er vierzig bärtige Männer in Turbanen und mit gezückten Dolchen auf ihn zustürmen. Ihr Anführer hatte den längsten Bart und trug ein goldenes Amulett in Form eines Kobrakopfes um den Hals, dessen Rand mit den gleichen leuchtenden Edelsteinen besetzt war, wie sich in dem Sack befanden. Die Räuber stürzten sich auf Dimitri und hielten ihn am Boden fest. Der Junge wehrte sich nach Leibeskräften, hatte aber gegen die starken Arme der Turbanträger keinerlei Chance.

 

 

  Der Anführer starrte ihn aus tiefschwarzen und zugleich funkelnden Augen an und rief: „Du Dieb!“

 

 

  Dimitri blickte aus unschuldsvollen und flehenden Augen und versuchte zu sprechen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Keinen Ton brachte er zu seiner Verteidigung heraus.

 

 

  Dann hob der Araber mit dem Amulett seinen goldenen Krummsäbel an und ließ ihn über dem Hals des Jungen nach unten schnellen.

  In diesem Moment wachte Dimitri schweißnass auf und wusste augenblicklich, dass ihn dieser Traum sein Leben lang verfolgen würde!

 
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